Literaturerbe


Literatur und Virtual Reality?

Ein Versuch

Das ALG-Projekt »Vererbt, vergöttert, vergessen? Über die Bedeutung und Vermittlung von Literatur als kulturelles Erbe« will den Begriff des literarischen Erbes erweitern, ihn in seiner Vielfalt präsentieren, Lücken schließen und einen Gegenwartsbezug herstellen. In Unterthemen werden unterschiedliche Aspekte literarischen Erbes untersucht wie in »Dark Heritage«. Ziel ist es, die ALG-Mitgliedseinrichtungen in ihrer Erinnerungsarbeit zu unterstützen – insbesondere im ländlichen Raum. Auf neue und innovative Art soll Literaturerbe thematisiert – und vermittelt werden!

Im Jahr 2023 hat die ALG im Rahmen des Projekts insgesamt 20 Projekte von Mitgliedseinrichtungen gefördert. Mittels digitaler und partizipativer Formate sowie in klassischen Veranstaltungsformaten konnten Besucher*innen unterschiedliche Aspekte literarischen Erbes entdecken. Im Jahr 2024 werden noch sechs bis sieben weitere Projekte umgesetzt.

Die Virtual-Reality-Ausstellung ist eine innovative und partizipative Form der Projektdarstellung geförderter Literaturprojekte. Sie vermittelt, was die geförderten Projekte unter literarischem Erbe und seiner Bedeutung verstehen.


Sie wandert außerdem an verschiedene Orte!

Die Stationen:

1. Brüder Grimm-Zentrum Kassel (bis Mitte Februar 2024)

2. Georg Brandes-Gesellschaft für Literaturvermittlung und Kulturtransfer Flensburg (20. Februar bis 14. März 2024, Eröffnung am 20. Februar 2024)

3. Leipziger Buchmesse (21.­–24. März 2024)

4. Literaturmuseum Theodor Storm Heiligenstadt (April 2024, Eröffnung am 2. April 2024)

5. Wieland-Stiftung Biberach (Mai 2024)

6. Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (Juni 2024, Eröffnung am 7. Juni 2024)

Ein Projekt der ALG. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestage

Einblicke in die Eröffnung der Virtual-Reality-Wanderausstellung im Brüder-Grimm-Zentrum in Kassel

Eine Mischung aus Ausprobieren, Logik, Entwickeln und dann wieder von vorn: Die Virtual Reality-Ausstellung zu »Vererbt, vergöttert, vergessen?«

vom Studio für unendliche Möglichkeiten

Wir — das Studio für unendliche Möglichkeiten — haben stets zum Ziel, gemeinschaftlich künstlerisch-designorientierte und technisch raffinierte Lösungen für gesellschaftlich relevante Projekte zu finden. Das Projekt »Vererbt, Vergöttert, Vergessen? Über die Bedeutung und Vermittlung von Literatur als kulturelles Erbe« mit der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. ist eines davon, denn wir setzen uns für Kulturinstitutionen ein, die die Vielfalt und Unterschiedlichkeit unserer Gesellschaft repräsentieren – die Vielfalt nämlich, für die wir selbst erzählen – und stellen dabei nicht klassische Themen wie Marketing oder höhere Klickzahlen in den Fokus, sondern den Menschen, die Kunst und deren Verschränkungen.

Eine Ausstellung in VR Ideenfindung und kreativer Prozess

So sah einer unserer Ideenfindungsprozesse mit der ALG aus.

Die Entwicklung von VR-Anwendungen ist ein iterativer Prozess, der aus mehreren Schritten besteht. Auch in diesem Prozess beginnt alles mit Ideen, und von diesen gibt es erstmal keine schlechten! Es geht schließlich darum, die Idee zu finden, die das Potenzial hat, eine unterhaltsame, im Kulturbereich aber immer auch eine (weiter-)bildende und sinnstiftende digitale Anwendung zu werden. Wenn wir ein neues Projekt beginnen, sammeln wir also zuerst ganz offen und wertungsfrei Inspirationen — welche Farben sehen wir in dem Projekt, welche Formen, welche Muster? Hat das Projekt einen eigenen »Klang«, in dessen Komposition sich weitere Inhalte einfügen müssen?

Da unser Team und das Projektteam der ALG aus verschiedenen Persönlichkeiten mit verschiedenen Hintergründen, Expertisen und Interessen besteht, kamen im gemeinschaftlichen kreativen Prozess spannende bis alberne erste Ideen zusammen. Aber auch die albernen Ideen sind wichtig!

Manchmal experimentieren wir albern mit Bildgeneratoren herum, nutzen solche aber höchstens als »Thinking Cap«.

Nach dem Ideenfindungsprozess haben wir gemeinsam mit der ALG die Anforderungen an die Anwendung definiert, und dabei unter anderem folgende Fragestellungen bearbeitet: Wer ist die Zielgruppe und wie holen wir diese am besten ab? Welche Funktionen soll die Anwendung haben und welche Funktionen braucht sie nicht? Anschließend erstellten wir das Designkonzept und einen detaillierten Projektplan.

So viel Inspiration. Unser laufend aktualisiertes Moodboard für die VR-Ausstellung.

Wie sieht’s im Hintergrund aus? Lieb*e Josie, bitte erkläre es uns als wären wir fünf Jahre alt!

Das allseits bekannte und beliebte Transportmittel Schwan in der Unreal Engine.

»Nachdem wir basierend auf der Grundidee intern und mit der ALG ein »Corporate Design« und einen grundlegenden Ablauf innerhalb der VR-Welt beschlossen hatten, begann die Arbeit hinter den Kulissen. Wir, also das Creative Coding Team, programmieren die Ausstellung und die darin gezeigten Inhalte in Unreal Engine. Das Herzstück der Unreal Engine sind die Nodes, die wie Bausteine funktionieren. In der Unreal Engine entsteht Funktionalität und die »logische« Abfolge von Handlungen, indem diese Bausteine zusammengesetzt werden. Das passiert in sogenannten Blueprints – sozusagen vorgefertigte Baupläne für interaktive Elemente.

Die Bausteine können alles repräsentieren: Von der Manipulation von Materialien bis zu den Bewegungen eines Charakters und den Aktionen, die in der Welt ausführbar sind. In die Szene, die gerade programmiert wird, werden nach Bedarf Blueprints und statische Objekte hineingezogen und so entsteht Dynamik in der Virtual Reality Welt. In der Unreal Engine ist in Echtzeit sichtbar, welche Fortschritte im »Bauprozess« der Welt gerade gemacht werden.

Am spannendsten finde ich, die Ideen aus dem Kopf in die virtuelle Realität zu übersetzen. Ich frage immer: Ergibt es Sinn, macht es Spaß? Es ist eine tolle Mischung aus Ausprobieren, Logik, Entwickeln und dann wieder von vorn: Ausprobieren, Logik, Entwickeln. Die besondere Herausforderung bei »Vererbt, vergöttert, vergessen?« finde ich, ein sehr textbasiertes Medium – Literatur eben – ins Digitale zu übertragen.«

Während des Entwicklungsprozesses testen wir die Anwendung regelmäßig, um sicherzustellen, dass sie den vorher definierten Anforderungen entspricht, dass sie gut aussieht und natürlich Spaß macht und Sinn ergibt.

Soviel zum Technischen, oft sagen Bilder mehr als Worte:

Erstellung einer low-poly Wassertextur mithilfe von Nodes.
Simulation der VR-Sicht auf die Welt in der Unreal Engine.
Eine weitere Vorschau auf die Welt und die Insellandschaft der Unreal Engine.

Zeichnungen von Johanna Benz (@graphicrecording.cool_): Gedanken zum Literaturerbe


Das Buch zum Projekt


Für die Printausgabe: Schicken Sie uns eine kurze Mail und wir senden es Ihnen zu (kulturerbe@alg.de)!

Livestream und Fotos der Info- und Austauschveranstaltung

© Simone Hobrecht-Kettner

Wie funktioniert das eigentlich alles?

Die Info- und Austauschveranstaltung am 13. Juni 2023 in Wolfenbüttel

Fünf verschiedene Unterthemen, drei Vermittlungsformate, ein Förderprogramm, ein Projekt-Blog, »Einführung und Impulse« – das analoge Buch zum Projekt, eine Info- und Austausch-Veranstaltung, eine Virtual Reality-Ausstellung… Wer soll da durchblicken?

Am 13. Juni 2023 luden wir zu einer Info- und Austauschveranstaltung zum Projekt Vererbt, vergöttert, vergessen in die Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel ein. Von 11 bis 16 Uhr konnte man Sie sich über das Projekt informieren und sich mit den anderen Teilnehmenden austauschen, Projektideen entwickeln und sich beraten lassen.

Ablauf der Veranstaltung

Wir stellten das Projekt und uns als Team vor. Im Projekt liegt der Fokus auf Literatur und Sprache als ein großer Teil dieser. Literatur hat hier eine Doppelfunktion: Sie ist das Erbe selbst und sie fungiert als Vermittlerin des Erbes. Unser Ziel ist es, die ALG-Mitgliedseinrichtungen zu unterstützen und sie als Vermittlungsorte sichtbarer zu machen, insbesondere im ländlichen Raum. Für ein möglichst breites Publikum sollen Zugänge zum literarischen Erbe geschaffen werden. WIE kann literarisches Erbe vermittelt werden? Dieser Frage widmeten wir uns am Nachmittag. Zuerst stellten wir das »WAS« zur Diskussion: Was bedeutet es, Kultur zu erben? Wer hat etwas davon? Und was kann kulturelles Erbe leisten?

Künstlerischer Input

Spoken Word Artist Miedya Mahmod (dey/dem; keine Pronomen) näherte sich mit einem Spoken Word Beitrag dem Thema des kulturellen Erbes an. Dey lebt, schreibt, arbeitet im Ruhrgebiet. Dey ist seit 2016 als Spoken Word-Artist aktiv, mittlerweile auch kuratorisch tätig u. a. für den Ringlokschuppen Mülheim und gründete die feministische Lesebühne »Aufruhrgebiet« mit. 2017 folgte die Einladung zum Treffen Junger Autor*innen ins Festspielhaus Berlin und 2022 die Teilnahme an den Open Poems des Hauses für Poesie. Seit 2018 leitet Miedya Schreibwerkstätten & Spoken Word-Workshops. Dey interessiert sich für digitale & kollektive Autor*innenschaft, fluide (Mehr-)Sprachlichkeit, Politik & Poesie, deren heutige (Ir)Relevanz und Andere(s).

Einführung in das Thema des kulturellen und literarischen Erbes

Danach gab Prof. Dr. Ingo Schneider eine Einführung in das Thema des kulturellen und literarischen Erbes und hinterfragte es kritisch. Ingo Schneider ist Professor am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck. Seine Forschungsinteressen und Arbeitsschwerpunkte: Erzählkultur (insbesondere gegenwärtige Sagen und Gerüchte, Erzählen im Internet), Popkultur, Kulturtheorie und (Critical) Heritage Studies. 2014 gab er zusammen mit Valeska Flor den Sammelband Erzählungen als Kulturelles Erbe – Das Kulturelle Erbe als Erzählung heraus. Er ist Mitglied des Bayerischen Expertengremiums für das Immaterielle Kulturerbe.

Vorstellung des #femaleheritage-Projekts

Im Anschluss stellte Anke Buettner ihr Projekt #femaleheritage vor. Anke Buettner leitet seit 2019 die Monacensia im Hildebrandhaus, das literarische Gedächtnis Münchens. Ihr Fokus liegt auf Digitalität und OpenGLAM. Als Kuratorin beschäftigt sie sich intensiv mit der Neudefinition des Literaturmuseums, einer Erinnerungskultur der Vielen sowie mit Themen der aktuellen Stadtgesellschaft in der Literatur. Anke Buettner engagiert sich im Kuratorium des Deutschen Literaturfonds, der Stiftungskommission des Archivs der deutschen Frauenbewegung und bei Thomas Mann International. Sie ist Initiatorin des interdisziplinären Netzwerks FEMale*Society, einer Kooperation der Monacensia und der Münchner Kammerspiele.

Podiumsdiskussion

Um das Gehörte zu vertiefen, schloß eine Podiumsdiskussion an. Neben Anke Büttner und Ingo Schneider saß außerdem Melanelle B. C. Hémêfa (sie/ihr) auf dem Podium. Sie ist Promovendin, Poetess, Autorin, Speakerin, Moderatorin und Bildungsreferentin. Ihr Studium der Romanistik und Historik schloss sie 2021 an der Universität Mannheim ab. Melanelle befasst sich aus einer wissenschaftlichen, aktivistischen, intersektionalen und emotionalen Perspektive mit Themen rund um Anti-Schwarzen Rassismus, Schwarzen Feminismus, Postkolonialismus und Empowerment. Das Schreiben und Sprechen ist ihre Berufung, denn sie flickt ihre Narben mit Metaphern. Sie saugt Wissen in sich auf, um es in Kraft zu transformieren. Melanelle steht für Freiheit, Befreiung, Reflexion, Liebe, Lyrik, Poetik, Schwarzen Feminismus, African Descendants, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Wandel, Ewe, Angst, Wut, Verzweiflung, Mut und den Kampf für ein Bewusstsein frei von »-ismen«. Melanelle liebt Worte und die Worte lieben Melanelle.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Thembi Wolf. Sie ist Journalistin, lebt in Berlin und ist Teil des Journalist*innenkollektivs CollectextAls Textchefin arbeitete sie für das Onlinemagazin krautreporter. Zuvor war sie Senior Editor für VICE und Redakteurin für bento (Spiegel Online) und der Freitag. Als Reporterin schreibt und produziert sie aus Deutschland, Südeuropa und Afrika zu Politik, Gesellschaft und Food. Ihre Texte erschienen zum Beispiel bei ZEIT Online, im Tagesspiegel und in der FAS. Eine Zeitlang hat sie multimediale Reportagen entwickelt, aus der Griechenlandkrise berichtet und Formate entwickelt. Sie moderiert auf Deutsch und gelegentlich Englisch. Und spricht zu Medienethik und Diversity im Journalismus (beispielsweise für die re:publica und als Co-Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher*innen). Als Ghostwriterin hat sie mit der Choreografin Nikeata Thompson ihre Autobiografie verfasst.

In der Podiumsdiskussion ging es zum einen um die Bedeutung von Literatur als kulturelles Erbe sowie um weiterführende Fragen wie: Wird kulturelles Erbe weitgehend national gedacht? Literarisches Erbe hat etwas Kanonisches. Kann ein Kanon lebendig sein? Wenn ja, wie? Welchen Zusammenhang hat literarisches Erbe mit der Gegenwart? Wieso ist literarisches Erbe weitgehend männlich? Wer fehlt im literarischen Erbe? Zum anderen steht die Vermittlung von Literatur als kulturelles Erbe im Fokus. Denn wir fragen uns: Wer interessiert sich noch für literarisches Erbe? Wie kann Literatur als kulturelles Erbe vielfältiger gestaltet und vermittelt werden?

World Cafés

Nachmittags luden World Cafés dazu ein, sich darüber auszutauschen, wie literarisches Erbe mit Vermittlungsformaten für alle Generationen erfahrbar und lebendig gemacht werden kann. Alle Teilnehmer*innen konnten sich mit anderen Teilnehmenden zu Projektideen austauschen.

Welches Unterthema interessiert Sie? Die Themen finden Sie auf dem Blog. Wie kann zwischen dem Unterthema und dem Schwerpunkt Ihrer Einrichtung ein Zusammenhang hergestellt werden?

Auch zu den Vermittlungsformaten konnte man sich austauschen und informieren. Welche Vermittlungsformate kennen Sie, welches könnte gut passen und ist innovativ? Haben Sie eine konkrete Idee? Was wird gebraucht? Wer ist die Zielgruppe bzw. wie verändert sich diese je nach Methodik?

Auch die Öffentlichkeitsarbeit spielte eine Rolle. Wie kann die Wunschzielgruppe angesprochen werden? Wie können die Einwohner*innen des Ortes oder Bildungseinrichtungen erreicht werden?

Unser Fokus liegt auf dem ländlichen Raum und Kooperationen im ländlichen Raum. Welche Kreativpotentiale hat der ländliche Raum? Wie können sie ausgeschöpft werden? Wie kann damit Vermittlungsarbeit gestärkt werden? Welche neuen Allianzen sollten gebildet werden, um Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln?

Seien Sie mit einem eigenen Projekt zu literarischem Erbe dabei! Stellen Sie einen Antrag!

Falls Sie noch keine Idee haben oder sich eine Beratung wünschen, melden Sie sich gern bei uns.