Literaturerbe


How to

Themenfindung leicht gemacht

Sie finden Literatur als kulturelles Erbe spannend, widmen sich innerhalb einer ALG-Mitgliedseinrichtung einem literarischen Nachlass und möchten ein Projekt beantragen, wissen aber noch nicht, wie Sie sich dem Thema Literatur als kulturelles Erbe annähern können? Oder möchten Sie mit einer Einrichtung kooperieren und suchen nach passenden Partner*innenschaften? Kein Problem, wir helfen Ihnen!

Die Qual der Wahl: Welches Thema passt zu Ihnen?

Wir möchten Ihnen die Themenfindung erleichtern und haben das weite Spektrum des literarischen Erbes auf fünf Unterthemen eingegrenzt, zu denen Ihr Projekt umgesetzt werden kann. Alle Unterthemen können aus literarischer, (literatur-)historischer, politscher oder sozialer Perspektive betrachtet werden und lassen sich mit den thematischen Schwerpunkten der ALG-Mitgliedseinrichtungen sowie mit den Autorinnen und Autoren verbinden, denen Sie sich widmen und sie laden dazu ein, die Literatur(-geschichte) politisch zu denken und sie mit der Gegenwart zu verknüpfen:

Der erste Schritt besteht für Sie in der Auswahl eines Unterthemas. Welches interessiert sie besonders? An welches Thema können Sie anknüpfen und wie? Denken Sie an den Schwerpunkt Ihrer Einrichtung und mögliche Überschneidungen. Was könnte eine passende Fragestellung sein und welches Vermittlungsformat könnte sich eignen, um diese Fragestellung zu thematisieren? Um Ihnen einen besseren Überblick zu verschaffen, stellen wir Ihnen die Themen etwas genauer vor und geben Ihnen Fragen mit auf den Weg.

Kulturelles Erbe und Heimat/Nation

Eine Nation lässt sich als ein gemeinsamer Sprach- und Kulturraum definieren. Verbunden wird die Nation etwa durch eine gemeinsame Nationalhymne, Nationaldenkmäler, Nationalheld*innen und Nationalliteratur. Und durch eine Erzählung. Nationale Mythen sind Erzählungen der Vergangenheit, die in die Gegenwart einfließen und diese mitformen können. Das Nationalgefühl stiftet Bedeutung und Identität, verleiht Selbstbewusstsein für einzelne Menschen oder soziale Gruppen, die sich der Nation verbunden und verpflichtet fühlen. Die Idee einer Nation kreiert also ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie schafft aber auch Probleme wie Ausgrenzung und Nationalismus: Wer entscheidet, was eine Nation ausmacht, wer zu der Nation dazugehört, welche Held*innen vergöttert, welche Erinnerungen vererbt und welche vergessen werden? 

Welche Texte möchten Sie weitergeben und mit in die Zukunft nehmen? Welche Literatur gehört in ein „nationales Gedächtnis“ und wieso? Haben Sie Texte im Kopf, in denen Nation oder Heimat im Fokus stehen? Es kann auch um deren Verlust gehen, z. B. im Exil oder auf der Flucht, durch den Umzug in ein anderes Land. Es lassen sich sicherlich Verbindungen zu Texten von Gegenwartsautor*innen finden, die ähnliches thematisieren. Binden Sie diese ein. 

Kulturelles Erbe und Geschlecht

Der literarische Kanon, Verlagsprogramme, Rezensionen und Buchpreise oder Lektürelisten von Schulen und Universitäten haben etwas gemeinsam: Sie sind Ergebnis eines Auswahlprozesses und stellen scheinbar besonders lesenswerte Literatur zusammen. Noch heute sind diese Listen männlich geprägt. Die Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten bildet hier keine Ausnahme: 2023 beschäftigen sich 193 Einrichtungen mit männlichen Autoren und nur 17 Einrichtungen mit weiblichen. Literatur sammelt unter anderem Erinnerungen aus der Vergangenheit, kontextualisiert sie in der Gegenwart und bewahrt diese für die Zukunft. Sie ist zudem ein Werkzeug der Vermittlung von Wirklichkeit. Deshalb sollte im literarischen Erbe die Diversität der Gesellschaft oder Menschheit sichtbar sein. Wie wäre es, wenn Sie mit einem Vermittlungsprojekt einen Beitrag dazu leisten?

Gibt es eine Schriftstellerin, die in Vergessenheit geraten ist und an die Sie gern erinnern möchten? Steht diese vielleicht in Verbindung mit Ihrem thematischen Schwerpunkt? Gibt es etwa lokal bedeutsame Frauen, an die erinnert werden sollte? Welche Autor*innen fallen Ihnen bei Diversität ein, die Sie vielleicht einladen können? Nicht nur weibliche Geschichtserfahrung oder „weibliches Erinnertwerden“ sind eine Leerstelle – es gibt viele verschiedene Geschlechtsidentitäten und -orientierungen. Schauen Sie sich auch im Bereich der Gegenwartsliteratur um. 

Kulturelle Identität und Sprache

Ein Individuum fühlt sich zumeist einer Gemeinschaft zugehörig. Es kann zum Beispiel eine soziale Gruppe, eine Gesellschaft oder eine Subkultur sein. Das Zugehörigkeitsgefühl kann durch gemeinsame Werte, Traditionen, eine gemeinsame Sprache oder Geschichte entstehen. Sprache kann ein Schlüssel zu einer Kultur sein. Und Sprache schafft Identität. Manche Menschen sprechen mehr als eine Sprache, haben in verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Historie gelebt und fühlen sich mehreren Kulturen zugehörig. Ist Kultur gleich Nation? Zudem gibt es regionale Sprachen, die aussterben, weil sie nicht mehr gesprochen und vergessen werden. Es gilt, sie zu bewahren und das literarische Erbe vielfältig zu gestalten. 

Widmen Sie sich einer regionalen Sprache, die bewahrt werden soll oder einem*r Autor*in, der*die im Dialekt geschrieben hat? Fallen Ihnen Texte ein, in denen kulturelle Vielfalt, Sprache und Mehrsprachigkeit im Fokus stehen? Wie können Sie der Vielfalt kultureller Identitäten in Ihrer Einrichtung Raum geben? Und wie kann ein Bezug zur Gegenwart hergestellt werden? Viele zeitgenössische Texte thematisieren Mehrsprachigkeit, kulturelle Identität und das kulturelle Erbe. Schauen Sie sich diese Texte an.

Schwieriges Erbe/Dark Heritage

Der Begriff des kulturellen Erbes ist zumeist positiv konnotiert: der Reichtum einer Kultur, einer Sprache, einer Literatur. Diese Traditionsbildung kann identitätsstiftend sein. Identitäten beziehungsweise speziell kulturelle Identitäten werden jedoch auch von negativen Erinnerungen geprägt: Das kulturelle Erbe ist nicht nur reich an bewundernswerten Traditionen oder Texten. Es ist auch unbequem, dunkel und schwierig. 

Was wird vergessen und verdrängt? Wie kann schwieriges Erbe kritisch mitgedacht und auch in Ausstellungen etc. reflektiert werden? Setzen Sie sich in Ihrer Einrichtung mit schwierigem Erbe auseinander oder wird es tabuisiert? Wie gestaltet sich beispielsweise die Schullektüre? Wer ist präsent und wer nicht? Haben Sie Texte im Kopf, die Kolonialismus thematisieren? Nicht nur die Debatte um das Humboldt-Forum gerät immer wieder in die medialen Schlagzeilen. Auch andere Kunst-Sammlungen, Straßennamen oder Kinder- und Jugendbücher werden kritisch hinterfragt. Vielleicht finden Sie in den aktuellen Diskussionen einen Anknüpfungspunkt, z. B. wenn Sie die Aufarbeitung des Kolonialismus im Brücke-Museum betrachten.

Unterschiedliches Erbe in Ost und West

Nach dem Mauerfall 1989 gibt es auf ostdeutscher Seite einen tiefen Bruch, eine Einteilung des Lebens in ein „Vorher“ und „Nachher“. Das ganze bisherige Leben wird infrage gestellt. Auf westdeutscher Seite gibt es eine scheinbar ungebrochene Kontinuität und somit auch eine gänzlich andere Erinnerungsarbeit. Das Leben wird vielmehr als Ergebnis individueller Erfahrungen betrachtet, politische Rahmenbedingungen werden seltener als einflussnehmend angesehen und scheinen somit auch als weniger erzählenswert. 

Widmen Sie sich in Ihrer Einrichtung dem literarischen Erbe aus Ost oder West? Wie wird die DDR, wie die Bundesrepublik in der Literatur erinnert und was sollte an die nächsten Generationen weitergegeben werden? „Ostliteratur“, Wenderomane, Texte, in denen Kindheit, Jugend, Arbeitsleben oder Alltag in Ost und West thematisiert werden: Haben Sie diesbezüglich Autor*innen oder Texte im Kopf, die Sie interessieren oder gibt es Überschneidungen zum Schwerpunkt Ihrer Einrichtung?  Welche Nachwenderomane gab es etwa in letzter Zeit, die Sie sich näher anschauen können und die Parallelen zu Texten Ihrer Autor*innen haben?

Mit dem Thema zum Projekt

Nun sind Sie an der Reihe. Wählen Sie ein Unterthema aus. Sammeln Sie Ideen. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen zu dem Thema einfällt. Verschaffen Sie sich einen Überblick, recherchieren Sie passende Literatur, lesen Sie. Gibt es Aspekte, die Sie besonders interessieren? Wer soll die Zielgruppe sein? Grenzen Sie das Thema ein. Welcher Aspekt des Themas ist für Ihre Zielgruppe interessant? Formulieren Sie eine Fragestellung. Wie können sie diese Fragestellung vermitteln? Welches Vermittlungsformat eignet sich? Starten Sie mit der Planung! Lassen Sie uns gemeinsam Literatur vermitteln und Begeisterung für die Texte wecken. Wir sind gespannt auf Ihre Ideen.